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AutorenbildOrsolya-Maria Sauerbrey

Presseartikel über Paszkan: Blick auf die Kunst durchs Schlüsselloch

Zehn sehr unterschiedliche Künstler aus dem Osten stellen Arbeiten im Rathaus-Foyer aus


14.12.1994 - Mainzer Rheinzeitung

Werner Wenzel


Man schaut nach vorne durchs Schlüsselloch und sieht sich selbst von der Seite, wie man durchs Schlüsselloch blickt. Auch das ist Kunst. Selbst wenn sie von aussen eher wie eine Pressspanschachtel aussieht. Michael Wolff hat zwei Installationen mitten im Rathaus-Foyer aufgebaut, er ist einer von zehn Künstlern, die derzeit dort ihre Werke präsentieren.

"10x1, Bilder und Plastiken von Künstlern aus dem ehemaligen Osten" heisst die Schau. Und die Ölgemälde, Bilder, Skulpturen, Drucke, Aquarelle, Installationen und Collagen der zehn Künstler haben so wunderbar wenig zu tun, dass man durchaus glauben könnte, die Himmelsrichtungen seien verrutscht. Natürlich ist der Osten nach wie vor im Osten, nur sind die gemeinten Staaten vielleicht ein wenig nähergerückt - psychologisch. Und mit ihnen die Menschen, auch Künstler - tatsächlich.

Doch wie so oft im Rathaus wirkt so manches ausgestellte Werk nicht - oder zumindest nicht so, wie es sich die Künstler wünschen müssten. Etwa Artur Bartosiks abstrakte Bilder neben dem Pförtnertisch. Die Besucher müssen viel zu nahe ran an die Gemälde, um eine Gesamtwirkung überhaupt aufnehmen zu können. Oder die enge Koje, in der Erna-Edith Rybczynskis Fensterojekte nehmen sich gegenseitig - bei aller Lust am Betrachten und Entdecken immer neuer Details - doch einiges an Wirkung.

Doch von all dem abgesehen gibt es in der vom ZMO-Kulturforum des Zentralverbands Deutscher und Osteuropäer organisierten Schau immer noch mehr als ausreichend Kunst zu entdecken und zu erstehen. Da sind etwas die garantiert publikumsfreundlichen Gemälde des Frankfurters Dimitre Vojnov, in dessen Licht die Konturen seiner Figuren und Traumbilder fast zerfliessen. Oder Caravallio aus Rüsselsheim: Neben einer massiven, kraftvollen Collage und einem widersprüchlichen Tryptichon mit dem Titel "Testosteron" findet sich ein Ölgemälde, das fast schon an verkitschte Serienprodukte von Fantasy-Malern erinnert.

Die Collagen von Michael-Josef Paszkan im Seitenfoyer, oft als Tryptichen arrangiert, wirken wie Chifren, verschlüsselte Nachrichten aus einer untergegangenen Industriekultur.

Roman R. Eichhorn stellt daneben Kollisionen dar, Innen- und Aussenwelt, Erinnerungen und Gegenwart prallen auf seinen Gemälden aufeinander.

Und neben der Kunst gibt es auch Biographien zu entdecken. Die Gemälde Isolde und Marina Hartwahns, die da nebeneinander im Rathaus-Foyer hängen, spiegeln nur wenig von den Verhältnissen, unter denen sie entstanden sind. Seit 1990 lebt Mutter Isolde, seit 1992 Tochter Marina in Saarbrücken. Doch zuvor hatte die aus Russland stammende Isolde Hartwahn, Jahrgang 1907, eine Odyssee hinter sich, wurde in der Stalin-Zeit nach Kasachstan verschleppt, musste im Bergbau - trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer künstlerischen Arbeit - Schwerstarbeit verrichten. Und in der Biographie der Tochter steht unter dem Datum 1941, damals war Marina Hartwahn gerade sechs Jahre alt, ganz lapidar: "Deportation nach Kasachstan". Diese Einbrüche, Einschnitte sind im Werk der beiden Künstlerinnen kaum zu bemerken, Menschen stehen im Mittelpunkt, als Akte, Porträts, offensichtlich von der Klassischen Moderne beeinflusst.

Sicher wäre es an der Zeit, den einen oder anderen aus diesem Reigen einmal einzeln zu präsentieren. Denn die Eindrücke aus dieser Ausstellung bleiben doch an der Oberfläche, zumal eine inhaltliche, künstlerische Verbindung der zehn nicht ersichtlich wird. Der Blick auf das Werk wirkt hier allenfalls wie einer durchs Schlüsselloch.




















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