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AutorenbildOrsolya-Maria Sauerbrey

Paszkans Kunstwerke: Genese

Der aus drei gleichen großen, hochformatigen Bildtafeln bestehende Triptychons reiht sich in eine Serie von Darstellungen, in denen Michael-J. in immerneuen Darstellungen das Thema der Entstehung von Leben variiert: dem Einsinken belebter Zellen in das fruchtbare Milieu einer schwelenden, undifferenzierten Masse.

Während die beiden Seitenflügel keine wirklich figurale Darstellung zeigen, erkennt man in der mittleren Tafel schemenhaft ein Frauengesicht im Halbprofil, in viele Partikel gegliederten Hände ragen aus dem Bildraum heraus. Obwohl die Hand nach oben gehalten wird, zeigen die Finger wieder nach unten, die Aufwärtsbewegung wird so wieder nach unten geleitet, wie überhaupt alles dem Bildgrund zustrebt. Farbige Tropfen fallen nach unten und ziehen weiße Fäden über das Bild. Die Seitenflügel sind ähnlich konzipiert. Auch dort erscheint als Bildhintergrund eine Art Meereslandschaft, mit tiefliegendem Horizont, wobei Himmel und Wasser in Farbigkeit und materieller Dichte nahezu austauschbar wären. Farbspritzer, die vertikal oder diagonal den Bildraum durchziehen, bringen Bewegung, Unruhe in das Geschehen.

In ihrer seltsamen Mischung aus Abstraktheit und Gegenständlichkeit erinnern die Bilder an Vorstellungen von kosmischer Urzeugung, dem Beginn von Leben in der Ursuppe, dem Beginn allen Lebens auf unserem Planeten. Reminiszenzen an Bilder alter Schöpfungsmythen werden geweckt: "Eva", was nichts anderes heißt als "Mutter aller", erscheint wie die Personifikation empfangender Fruchtbarkeit. Oder ist es Gaia, der Ozean, die Urmutter, die den Himmel/Uranus aus sich selbst hervorbringt, um ihm dann Kronos, die zeit, zu gebären? "Genese" zeigt den Zustand vor der Zeit, vor dem Einsetzen von Entwicklung und Historie - oder den ersten Augenblick, in dem Nichtsein von Entstehen abgelöst wird, in dem Sein und Leben ihren Anfang nehmen. Gaia-Uranus, Apsu-Tiamat, das weibliche und männliche Prinzip bilden die Polaritäten, in die sich die Bilder formal und inhaltlich spannen. Der Gegensatz zwischen horizontalen und vertikalen Linien; zwischen der farblich wie figural indifferenten Fläche des Hintergrundes und der eindeutigen, in den Grundfarben erscheinenden Gebilden; die an Samenzellen erinnern; zwischen Statik und Dynamik - dieses Gegensatzgefüge sprengt die Gestaltungsprinzipien des Werkes auseinander und bewirkt seine Lebendigkeit.

Doch ein Bild über "Genese", Entstehung von Welt und Leben, hat neben seiner inhaltlichen Bedeutungsschicht einen eminent ästhetisch-reflektierenden Kern. Denn nichts anderes ist das Kunstwerk, als Nachvollzog, Wiederholung und Neubeginn des Schöpfungsaktes, eine zweite Kreation die einen eigenständigen, für sich bestehenden Kosmos hervorbringt. In "Genese" erscheinen die Bausteine bildender Kunst in Reinform: Fläche und Linie, Hell und Dunkel, Kontraste, Bewegung und Farben, die Spuren von Werkzeug und Manier, von Konstruktion und Zufall, von Planung und Intuition - im Mittelstück verdichten sie sich zur Gestalt, zum Bildnis. Zündendes Moment ist der Künstlerische Wille: er ist das ordnende Element im Chaos der vorgefundenen; auf die er immer wieder hinarbeitet. Ist es das ewig Weibliche des Eros, ist es die Suche nach der Herkunft, dem mütterlichen Urprinzip, oder ist es die Ästhesie selbst, die Muse, die Inspiration? Vielleicht ist es alles zusammen: Ursprung, Weg und Ziel künstlerischen Schaffens.

In dem Triptychons, diesem "Altarbild" der Genesis, feiert sich der schöpferische Akt, feiert sich die Kunst selbst.

291. Genese, Acryl, 67x150 cm, Mz.- Ko. 1995




















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