Die „Spiegeleier“, denen dieses Bild offensichtlich seinen Titel verdankt, sind wieder eine der zahlreichen Variationen, in denen die Eier in den drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau bei Paszkan auftauchen. Diesmal brutzeln sie in der Sonne auf einer Art transportablem Ofen mitten in der Wüste. Sie befinden sich in illustrer Gesellschaft, sozusagen in unmittelbarer Nähe zu Mahatma Ghandi, der sich soeben auf einem englischen Klosett erleichtert.
Der derart thronende indische Politiker ist in der Mitte des querformatigen Bildes platziert und nimmt das gesamte mittlere Drittel der Fläche ein. Gleich dreimal ist er zu sehen, denn die Bewegung, mit der er sich auf dem Klosett niederlässt, ist in drei unterschiedlichen Momenten dargestellt. Ghandi ist, wie man ihn kennt, dürr bebrillt, kahlköpfig. Sein Kopf - bzw. seine drei Köpfe - stechen hell leuchtend von dunklen Hintergrund ab, die unbekleidete magere Gestalt ist durch - scheinend, fast immateriell. Er stützt sich auf seinen Wanderstab, als würde ihm die hockende Haltung Mühe bereiten.
Das Klosett mitsamt Benutzer steht in einer surrealen, von dunkelroten Tönen dominierten Wüstenlandschaft im Bildvordergrund. Rechts davon liegt auf zwei aufgestellten Backsteinen besagte Mettalplatte mit den drei aufgeschlagenen und mittlerweile durchgebackenen Eiern. Zwischen Klosett und Ofen rollen noch einige Eier im roten Sand. Man wird das Gefühl nicht los, dass außer den Spiegeleiern noch etwas ausgebrütet werden soll, etwas zutiefst Groteskes und sehr Unangenehmes.
Ghandi auf WC - wie ein Hohn auf die weltbewegende Erfindung der britischen Imperialmacht. Lässt der Künstler Ghandi - stellvertretend für sei indisches Volk - hier demonstrieren, was er über die englische Weltpolitik denkt, oder gesteht sich der große Ghandi notgedrungen ein, auf das eine oder andere importierte Kulturgut nicht verzichten zu können?
Wie dem auch sei, aus dem Bild spricht beißende Ironie. Es ist auf Konfrontation aus, auf die nahezu quälende Verbindung von Gegensätzlichem, sich Entgegenstehendem; die Konfrontation zwischen Britischem und Kolonialem, zwischen Ghandi und W(inston) C(hurchill), zwischen Geistigem und Biologischem hätten kaum krasser und gehässiger ins Bild gebracht werden können. Man kann sich der Wirkung des Bildes nur schwer entziehen, dreimal zwei Augen schauen dem Betrachter entgegen, erzwingen den Blickkontakt - den Blickkontakt zu einem soeben defäkierenden Menschen: peinlich!
Das Bild „Spiegeleier“ ist eines der extremsten und unerbittlichsten Paszkans, was die Bildidee und den Bildinhalt betrifft. Die technische Bravour und der unverblümte Sarkasmus sind gleichermaßen ausschlaggebend für die suggestive Wirkung, die von diesem Werk ausgeht. Hier schmoren nicht nur die Spiegeleier, auch der wehrlose Betrachter wird weichgekocht.
228. Die Spiegeleier, 3-teilig, Acryl, 110x246 cm, Mz.-Ko. 1995
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