In einer surrealen, grellbunten Landschaft bewegt sich eine Herde von rinderähnlichen Wesen in den Bildraum hinein. Die Landschaft gleicht einer Wüste oder einer Steppe ohne Vegetation, der Horizont ist in einem schwelenden Gelb, der Himmel in blutigen Rot gehalten. Das ganze wird von einer schwarzen Himmelskuppel abgeschlossen, die rechts und links bis zum unteren Bildrand reicht Rechts von der Bildmitte wächst im Vordergrund eine Art Baum über die gesamte Bildhöhe. Der Baum ähnelt einer archaischen oder auch folkloristischen Darstellung von dreigliedrigen Lebensbäumen . Er entfaltet zwei waagerechte Äste, deren Kronen sich zum Adernnetz von Lungenflügeln weiten. In der Mitte hebt sich eine runde braune, aus Pappe modellierte Masse aus dem Bild. Die braune Masse ist unschwer als Gehirn zu identifizieren. Wo die Gehirnlappen geöffnet sind, wird ein elektronisches Kabelwerk sichtbar- der funktionierende Kern des zentralen Nervensystems. Mit etwas morbider Phantasie wird man erkennen, dass dieser Kern schon angefressen ist: die Seuche hat sich seiner bemächtigt, der Zerfall hat begonnen. Der todbringende Lebensbaum wurzelt in dem Boden, auf dem die Rinder- oder Büffelherde dahintrabt. Die Tiere sind in durchsichtige Hüllen gefasst, die wie einzelne Zellen mit kleinen Geißeln den Wurzeln im Bildvordergrund zustreben. Sie bilden somit eine Gegenbewegung zu den Rindern, die nur schräg von hinten zu sehen sind. Die Tiere sind mit dem Computer gezeichnet und kollageartig in das Bild eingesetzt. Sie sind im Grunde alle gleich, lediglich ihre Größe variiert. Eine Herde von Labortieren, Retortenvieh, das, für jede Schwäche anfällig geworden, den Keim der Krankheit schon in sich trägt.
Ein kaum lösbares Rätsel ist der große Vogel in der linken oberen Bildhälfte. Der Gestalt und den Federn nach ein Eisvogel , aber ornithologisch nicht zu bestimmen , erinnert es an die Unheilsverkünder , an die Todesvögel der Märchen und Sagen . Er hat seine Eier - rot, blau und gelb - in die Verästelung des linken Lungenflügels gelegt und fliegt nun in weitem Bogen auf den Betrachter zu .
Interessant ist auch die Betrachterperspektive. Die Augenhöhe befindet sich in etwa auf der Ebene des Bildhorizontes. Der Blick auf das dunkel umrahmte Bild ist wie ein Blick aus einer dunklen Höhle in die erleuchtete Landschaft. Ein irisierender Lichtreflex erweckt den Eindruck, das Bild durch eine Glaslinse im Gegenlicht zu sehen: der Betrachter gewinnt Abstand zum Dargestellten, der Wahnsinn bleibt hinter der Scheibe.
Trotz der düsteren Thematik und der wilden, expressiven Farbgebung wird man das Gefühl nicht los, dass das Bild sich über seinen eigenen Inhalt lustig macht. Ein gewisser satirischer Zug bleibt unverkennbar. Allzu spielerisch sind die einzelnen Bildelemente zusammengefügt, ausgearbeitet und dekoriert. Das unheilschwangere Sujet verrät eine gewisse Distanz zu der Panik, die die BSE-Nachrichten ausgelöst haben. Der vage Verdacht, der schwarz- rot- goldene Hintergrund und das Lichtspiel aus der „Scheibe“ könnten ein leiser Hinweis auf die überzogen reagierende bundesdeutsche Medienlandschaft sein, lässt sich nicht ganz von der Hand weisen. Der Rinderwahnsinn als Bildmotiv: Paszkans Acrylbild ist eine eigenwillige Antwort auf die panische Berichterstattung in den Medien.
293. BSE, 4-teilig, Acryl, 92x196 cm, Mz.-Ko. 1995
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